Meine Lehrfirma |
GRAPHOS
Uster/ZH |
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![]() Meine Lehre als Mechaniker machte ich in den Jahren 1958-62 bei der Firma Oskar Schnetzer Setzmaschinen. Die Firma hatte Büroräumlichkeiten am Zürcher Waffenplatz und eine Werkstatt im früheren Dampfmaschinenhaus einer Weberei. Die Setzmaschinen (line casting machine) dienten der Herstellung von Bleisatz für Buch- und Zeitungsdruck. Die Maschinen bestanden im wesentlichen aus dem Gestell, einer Welle mit Kurvenscheiben, dem Giessofen, den Magazinen mit den Schriftmatrizen und der Matrizenrückführung. Die Steuerung der Maschine erfolgte über Kurvenscheiben und Hebel. Mitte der 70er Jahre verschwanden die Setzmaschinen aus den Druckereien. Computer und Filmsatz ersetzten die Bleilettern. Bei Oskar Schnetzer bauten wir keine Maschinen, vielmehr produzierten wir spezielle Ersatzteile und überholten Maschinen der Marken Linotype, Intertype und Typograph. Monotypes (type casting machine), die Einzellettern und keine ganzen Zeilen gossen, rührten wir nicht an. Setzmaschinen kannst du im Typorama Museum in 9220 Bischofszell bewundern. |
Sechzehn Jahre nach Lehrende besuchte ich meinen Lehrmeister nochmals. Die Werkstatt hatte sich kein bisschen verändert. Dieselben vorsintflutlichen Maschinen als hätte ich erst gestern die Lehre beendet. Oskar Schnetzer war etwas älter geworden, aber immer noch fit und munter. Er konnte sich nur noch schwach an mich erinnern. In lebendiger Erinnerung geblieben war ihm aber Max Beusch, mein unverfrorener Unterstift, der ihm wohl manche schlaflose Nacht bereitet hatte. Max reparierte auch die Uhr auf dem oberen Bild, die ich als Oberstift, sehr zum Ärger des Chefs, bereits entsorgen wollte. Der Chef: "Du würsch nöd glaube, das eine wo da ine emal d'Lehr gmacht hät, ietzt in Kanada en Uhrelade hät". Im Vordergrund rechts auf dem Bild befindet sich eine Linotype im Aufbau. An der Wand über der Uhr liegen Schablonen mit deren Hilfe wir abgenützte Kurvenscheiben reparierten. ![]() Kurvenscheiben der Linotype Meine Arbeitskollegen zu Lehrbeginn
waren: Die Aufgaben eines 1. Lehrjahrstifts waren aussergewöhnlich vielseitig. Zu seinen Pflichten gehörte natürlich das Maschinenreinigen, das Wischen, das heimliche Züniposten, das Waschen und Lackieren der zu revidierenden Setzmaschinen, das Gipsen und Streichen von Kellerwänden und das Herbeischaffen von 6 m langen Profilstangen, Gussbarren und Schrauben. Hierzu bediente sich der Stift des "Geschäftsvelos", mit dem er vom Waffenplatz über Enge-Paradeplatz-Münsterhof zur Eisenhandlung Pestalozzi pedalte. Die 6 m langen Profile sägte man entzwei und band sie beidseits des Velorahmens fest. Noch ein Gussbarren auf den Gepäckträger und fertig war die Fuhre! Und dann hatten die Arbeiter noch ihre Privatwünsche und wollten ihren Spass haben. Ganze Nachmittage verdunstete ich in der Stadt Zürich auf der Suche nach Vorschusszangen, Schlüssellöchern, Zahnrädern für eine Spieldose, Kamera-Prospekte und ähnliches mehr. Alles irgendwie hinter dem Rücken des Chefs, der oft auf Kundenbesuch oder Montage war. Seinen Beruf erlernte man in der zweiten Hälfte der Lehre, wenn ein neuer Stift eintrat. Wir arbeiteten jeden 2. Samstagmorgen, das heisst, wir hatten eine Woche zu 45 Stunden und eine zu 50 Stunden. Im Durchschnitt also 47.5 Stunden. Für den betroffenen Lehrling bedeutete der Samstagmorgen Maschinen reinigen und Werkstatt wischen von 7-12 Uhr. Nie bereute ich es, in dieser Kleinfirma
die Lehre gemacht zu haben. Trotz Gipsen, Malen,
Schlagbohren, Spitzen, Ablaugen, "Säuern" und
Znüniposten hatte ich nie das Gefühl ausgenutzt zu
werden. Das Arbeitsleben in der Bude war meist
abwechslungsreich, da wir keine Serienproduktion kannten.
Für mich waren die Highlights das Überholen der
Schriftmagazine, die Reparatur der abgelaufenen
Kurvenscheiben und das Ausgiessen von Gleitlagern mit
Weissmetall. "Bude", fiel beim Chef auf taube Ohren, "Werchstatt! häsch gmeint". Ab 1960 stellte mein Unterstift Max B. die Bude auf den Kopf. Und die Gewerbeschule. |
![]() Oskar Schnetzer 16 Jahre nach meinem Lehrabschluss. Erst Jahre nach der Lehre merkst du, was dir dein Lehrmeister alles beigebracht hat. Er war von altem Schrot und Korn. Anlehnen an die Werkbank, Hände in den Hosensäcken, verschränkte Beine oder gar sitzend arbeiten, das konnte er absolut nicht leiden.
Ein Buch zum Thema:
ISBN 978-1-933360-60-7 |
![]() Links im Vordergrund eine Hobelmaschine, dahinter eine Fräse. |
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![]() Der Maschinenpark bestand aus den
üblichen, konventionellen Werkzeugmaschinen, wie Bohr-,
Fräs-, Schleifmaschinen, Drehbänke und
Zubehör. |
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![]() Unser Stolz: Die Reiden Drehmaschine. |
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![]() Links die Werkbänke am Fenster. An
einem dieser Schraubstöcke lernte ich mühsam das
berühmt berüchtigte Feilen. |
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![]() Im Hof bei der Werkstatt pflegten die
Lehrlinge die alten Setzmaschinen abzulaugen. Kleinteile aus
Messing |
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![]() Das Gebäude mit Winterhilfe und
Adresszentrale an der Klopstockstrasse, links im Anbau
unsere Werkstatt. |
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CH-8194 Hüntwangen |