Peppi gestorben. Völlig
unerwartet verstarb Peppi 89-jährig am 27.5.2003.
Die Zeit mit ihm an der Schreinerstrasse werde ich nie
vergessen.
Im Februar 1992 schrieb ich für Moto
Sport Schweiz
- Josef Pozzi, seit 55 Jahren im
Geschäft
Josef Pozzi sen., von seinen alten
Freunden Peppi genannt, wird dieses Jahr 78. In der
Zürcher Motorradszene ist er und sein Geschäft
schon fast Legende. Wenn ich jetzt diese Zeilen schreibe
liegt kein Geburtstag und kein Jubiläum vor, es ist
einfach an der Zeit, sein Wirken zu Papier zu
bringen.
Peppi wurde 1914 in Zürich geboren
und ist an der Alfred Escher Strasse aufgewachsen. Als 15
Jähriger begann er seine Lehre bei der Firma Lehmann
als Fahrrad-/Motorradmechaniker. Nach gut vier Jahren
Gesellendaseins konnte Peppi 1937 seinen eigenen Betrieb an
der Schreinerstrasse, im Zürcher Stadtkreis 4,
eröffnen. Die ersten Pozzi-Velos mit selbstgebauten
Rahmen entstanden. Motorräder der Marken AJS, BMW, DKW,
Gilera, Matchless, Moser und Triumph erhielten Peppis
Fürsorge.
Peppi kennt mich seit bald fünfzig
Jahren, neben seiner Werkstatt an der Schreinerstrasse bin
ich aufgewachsen. 1964 kaufte ich mein erstes motorisiertes
Zweirad bei Peppi, ein Mofa. Schon in den ersten Tagen liess
mich das Ding im Stich, Peppi entfernte gelassen die
Hauptdüse, setzte die Druckluftpistole an und zwei
Minuten später gab das Sachs Motörchen wieder
Lebenszeichen von sich. So konnte jeder gratis und franko
Schraubertips von Peppi bekommen. Zum Beispiel lernte ich
das Reifenwechseln mit zwei Hebeln oder das Ausbeulen von
teuren Stahlblechtanks.
Die Arbeiten wurden damals fortlaufend
ohne Terminplan erledigt, die Ersatzteilversorgung war
ungenügend, manch ein Kunde musste sich in Geduld
üben. Solche Kunden pflegte Peppi mit den Worten zu
beschwichtigen: "Am Mäntig isch er sicher fertig!" Der
leidgeprüfte Töffler merkte bald, dass das Jahr
gar manchen Montag hat! Auch die Arbeitszeit war nicht so
eng gefasst, abends ab 18.30, je nach Jahreszeit, wurden die
Töffs eingeräumt. Lediglich den Samstagnachmittag
versuchte sich Peppi freizuhalten, aber da war so oft Not am
Mann, dass Peppi manchen Samstag für eine dringende
Arbeit opferte.
Verbrennungsmotoren behandelte Peppi fast
wie Lebewesen, Ausdrücke wie "verheizen" oder
ähnliches gebrauchte er kaum, statt dessen ermahnte er
die Heissporne mit den Worten: "Dä" Motor muess ja
kaputt ga, wänn'd en "ä so plagsch!"
Die Restaurants "Freieck" und "Locatelli"
dienten viele Jahre als Stammtisch und Treffpunkt von Peppi,
seinen Kunden und Lieferanten. In diesen Quartierbeizen war
jeder willkommen, auch wenn er Ueberkleider trug und nach
"Töff" duftete.
Traumtöffs in den fünfziger
Jahren hörten auf den Namen "H.R.D. Vincent" oder
"BMW". Die Zürcher Polizisten vergnügten sich auf
Einheimischem aus Oberrieden (Universal). Gehandelt und
repariert wurden bei Peppi vor allem Engländer und
Gileras. Besonders hübsch und sportlich war die Gilera
Extra Rossa mit 175 cm3, schmalem Lenker und zwei
übereinanderliegenden Auspufftöpfen der Marke
Silencium (!!).
Die sechziger Jahre waren gekennzeichnet
vom Vordringen der Japaner. Fritz Hintermüller in
Zürich Schwamendingen importierte die ersten Hondas,
später die ersten Kawasakis. Eine gebrauchte Honda CB72
war 1965 mein erstes richtiges Motorrad, von der
Pozzi-Fangemeinde als Kettelitöff (Nockenwellen-,
Anlasser-, Oelfilterkette, etc.) belächelt.
Peppis Sohn Sepp, das jüngere seiner
zwei Kinder trat 1963 ins väterliche Geschäft ein.
Sepp spielte leidenschaftlich gern Fussball, anfangs der
sechziger Jahre schaffte er mit YF den Sprung in die
Nationalliga A. Sepps zahlreiche Sportunfälle liessen
seinen Vater manchmal verzweifeln. Töff- und
Fussballsaison schienen einherzugehen, Sepp verunfallte
meist zur ungünstigsten Zeit. Sepp brachte aber auch
neue Ideen in den Laden, er versuchte die versprochenen
Termine einzuhalten und brachte Ordnung ins berühmte
"Pozzi-Puff". Peppis Bude war nämlich inzwischen eine
Fundgrube für alte Engländer- und Gilera-Teile
geworden. Ich höre Peppi noch heute wie er Sepp einmal
ermahnte: "Sepp, rüer doch nöd alles furt, grad
geschter han i zwee Dschilera Zylinderchöpf für
drissg Stutz verchauft, wo'd häsch welle
furtrüere!"
1966, nach 10 Jähriger
Tätigkeit, verliess Giuseppe Lucchinetti die Pozzis um
an der Pflanzschulstrasse sein eigenes Geschäft zu
gründen. In späteren Jahren waren es die Lehrlinge
Cahenzli und Jordi die sich selbständig
machten.
1966 kam die Honda CB450 auf den
Schweizer Markt. Sie war bei uns die erste Japanerin
über 350 cm3. Die populärste englische Lady wurde
in diesen Jahren die Triumph "Bonnville 650". Peppi betreute
weiter seine treue Engländer Kundschaft, doch immer
mehr Kunden gelüstete es nach Fernöstlichem.
Gileras wurden nur noch als 125er verkauft, aber
zusätzlich wechselten bei Pozzi noch einige 250er
Aermacchis den Besitzer. Trotz seines italienschen Namens,
hatte Peppi eigentlich kaum Ducati oder Guzzi Kunden,
dafür immer wieder vereinzelte BMW
Anhänger.
1969, vor Ende des Jahrzehnts, stellte
Honda die Vierzylinder CB750 vor. Sie läutete
unmissverständlich die japanische Big Bike Aera ein.
Ihr folgte die Kawasaki Z900, sie setzte neue Masstäbe
punkto Fahrleistung und purer Kraft. In den Siebzigern
bauten die Japaner ihre Vormachtstellung aus. Die Pozzis
schraubten mit steigender Tendenz an japanischem Eisen.
Chopper und Enduros eroberten neue Märkte und mussten
auch von Traditionalisten zur Kenntnis genommen
werden.
Peppis Pannendienstfahrzeug über
Jahrzehnte und für jede Jahreszeit war ein Gespann,
alle paar Jahre wurde nach Bedarf die Maschine ersetzt. So
um 1970 war dies eine Matchless 350 Einzylinder, bereits ein
begehrtes Stück. Aeusserlich unansehnlich startete sie
auf den ersten Kick und begeisterte mit einem samtweichen
Motorlauf, einer Dampfmaschine nicht unähnlich. Prompt
wurde dieses Kleinod über die Osterfeiertage aus dem
Hinterhof gestohlen.
Die langjährige Erfahrung mit
Engländern und Gileras kommt den Pozzis bis auf den
heutigen Tag zu Gute. Sie sind keine "Ersatzteile-Tauscher",
unzählige Maschinen haben sie mit den einfachen Mitteln
ihrer Werkstatt veredelt.
Auf Kundenwunsch baute Peppi und Sohn
Auspuffanlagen, Fussrastensätze, Lenkerstummel,
Höckerbänke und anderes sportive Zubehör, das
heute serienmässig perfektioniert ist. Sepp baute sogar
ganze Rahmen, überholte Veteranen und baute sich in der
Freizeit seinen Traumtöff. Peppis Liebling über
Jahrzehnte war eine Gilera Saturno (die Alte), die er erst
vor kurzem, schweren Herzens, an Karl Traber
verkaufte.
Die alten Engländer waren eine gute
Mechanikerschule, mangelnde Qualität und
Ersatzteilengpässe zwangen zur Kreativität. Peppi
hat sich durch seine Vielseitigkeit einen grossen Stamm von
Kunden geschaffen. Viele sind ihm jahrzehntelang treu
geblieben. Das Pflaster vor seiner Bude, das Trottoir der
Schreinerstrasse war Begegnungsort seiner Fan-Gemeinde. An
Sommerabenden war der Durchgang für normale
Fussgänger schier unmöglich, Die Pozzis
schraubten, die Kunden putzten, polierten, plauderten,
rauchten oder versperrten sonst den Durchgang. Roller waren
bei den Pozzisten nie beliebt, René Dünnenberger
meinte: "Lambretta fahri erscht wänn i "so alt bin,
dass mer Chrampfadere i'd Speiche nimmt!"
Fürs achte Jahrzehnt stellten
Benelli und Honda Sechszylinder-Maschinen vor. Die
Bonnevilles und Spitfires wurden immer seltener, der
Viertakter etablierte sich, beliebte Zweitakter von Suzuki,
Yamaha und Kawasaki (H2!!) verschwanden. Die einst beliebte
250er Klasse löste sich auf. Die verschalten Superbikes
waren der Renner dieses Jahrzehnts.
Peppi wurde 1980 sein langjähriges
Domizil an der Schreinerstrasse gekündigt.
Glücklicherweise konnte an der Fabrikstrasse 26 im
Kreis 5 ein geeignetes Lokal gefunden werden. Die neue
Stammbeiz über der Strasse hört auf den Namen
"Fabrikhof". 1986 übernahm Sepp das Geschäft von
seinem Vater. Erika, seine töffahrende Gattin erledigte
im Hintergrund die Büroarbeit. Peppi, inzwischen 72
geworden, vital wie immer, arbeitete tatkräftig weiter
wie gewohnt.
Wie willkürlich Gesetze und
Vorschriften gegen Töffs erlassen werden, wie
unglaubwürdig Aemter und Behörden sein
können, erfuhr Sepp auf die saure Art, als er auf
eigene Faust, eine Suzuki RG 500 importierte.
Wie geht's weiter? Peppi wird 78 dieses
Jahr, noch immer arbeitet er regelmässig wenn es der
Gesundheitszustand seiner Gattin erlaubt. Die modernen
Superbikes überlässt er Sepp und seinem
Mechaniker, aber da sind immer noch so viele andere
Zweiräder die einer Reparatur harren. Oder die ganze
Arbeit mit Einlösen und Vorführen verkaufter
Maschinen. Peppi fährt noch heute jedes Zweirad, vom
Velo bis zum Superbike! Nur wenigen unter uns dürfte es
in diesem Alter gegönnt sein, noch Töff zu
fahren.
Sepp, Jahrgang 1944, macht sich bereits
Gedanken über seine Nachfolge. Es wäre schön,
wenn das Geschäft eines seiner drei Kinder
übernehmen könnte. Die dritte Pozzi Generation
begleitet die Zürcher Töffler ins neue
Jahrtausend, es wär' doch so schön!
Peppi sei tausendmal gedankt für
seinen unermüdlichen Einsatz. Sein zuvorkommendes
Wesen, seine Gutmütigkeit, sein Humor und sein
ausserordentliches Handgeschick wird mir unvergesslich
bleiben. Möge Peppi und seine Familie noch viele Jahre
gesund bleiben!
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Peppi mit Kunde und Honda CBX

Peppi wie er leibt und lebt. Ein
Künstler mit dem Schweissbrenner.
Ungezählt sind die Gepäckträger, Schutzbleche
und Umbauten die er
mit einfachsten Mitteln für seine Kunden mit grossem
Geschick anfertigte.

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