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Testbericht aus MO, 24.4.2002 Hitverdächtiger Nacktsportler: Sehr ärgerlich. Jahrelang vergraulte Honda mangels überzeugendem Angebot bei den großen Nackten viele Kunden. Dabei stand die vermeintliche Supermaschine schon seit Jahren in den Läden. Verteilt auf die Modelle Hornet 600 und Fireblade. Getreu dem Motto "Lieber spät als nie" sticht Honda endlich mit der Hornet 900 ins Rennen. Motorrad-Testern passiert es besonders gerne, dass sie den Wald vor Bäumen verfehlen. Gelegentlich schießen sie sogar um Meilen dran vorbei. Zum einen gepeitscht von der Industrie, die mit spektakulärer Hardware und noch spektakuläreren Präsentationen, gespickt mit honigsüßen Verkaufsformeln, alles unternimmt, um sich gegenseitig zu überbieten. Zum anderen natürlich getrieben vom eigenen Ego, das alle Hypes dankend annimmt und von sämtlichen neuen Superlativen möglichst viel versuchen möchte. Motorräder wie die Honda Hornet 900 laufen dabei Gefahr, nur am Rande - wenn es dumm läuft, überhaupt nicht - beachtet zu werden. Im schlichten Anthrazit-Look, schlank und ohne chromblendende Zusätze stolpern nur die allerhärtesten unter den Modellkennern spontan über die Neuheit. Nach erfolgreicher Identifizierung steigen die Sympathien. Die 900er überzeugt mit einer schlichten, dennoch hochwertigen Aufmachung. Der dominante Motor riecht nach Leistung, und von der rechten Seite aus betrachtet - mangels Hauptständer ist die weniger akkurate linke Motorhälfte sowieso meist im Schatten - protzt die Neuner mit klarem Aufbau und schönen Oberflächen. Das luftige Heck, die sauber verstauten Endtöpfe, der schmale Lenker sowie die unverbaute Frontpartie bringen einen superkompakten Auftritt. Doch der Eindruck täuscht etwas. Mit 1460 Millimetern Radstand rangiert die große Hornet mehr im guten Mittelfeld. Mit dem Beschnuppern der anderen Baugruppen und Details sieht es nicht anders aus. Es braucht stets einen zweiten Blick, um die wahre Hornet auszumachen. Wer sich nicht die Zeit nimmt, die synchron sprießende Krümmeranlage oder die tiptop endende Leichtmetallschwinge aufzuspüren, der wird das Teil auf ewig für eines unter Tausenden halten. Und er wird es wohl nicht kaufen. Vielleicht hätte Honda das aufgeklebte Hubraum-Dekor am Heck doch in Neongelb ausführen sollen. Womöglich wird der große Sauger noch mit der kleinkalibrigen Sechser-Hornet verwechselt. Schwarzes Visier Schon beim Starten der Hornet-Fireblade steigt die Stimmung unerwartet. Statt heute gängigen Lüftersound zu verbreiten, brabbelt und faucht der Antrieb angriffslustig. Jeder Zupfer an der leichtgängigen Gasrolle hat ein zornig befreiendes "ja, endlich ist das ganze Plastik weg" zur direkten Folge. Statt teurem Auspufftuning empfiehlt sich gefrusteten Blade-Besitzern also durchaus eine geordnete Demontage der Vollverschalung. Nahezu lautlos arbeitet derweil das Sechsganggetriebe. Die einzelnen Gangstufen flutschen schlicht perfekt und klar durchs Programm. Eine Schaltbox, die man gerne auch mal grundlos bedient, einfach mal schnell zwei runter, wieder einen hoch, kurz Gas, und wieder hoch. Nebenbei kann man mit diesem Spiel vorzüglich kreuz und quer durch die Drehmoment-Landschaft des 919 Kubikzentimeter großen Vierventilers springen. Selbst wenn die Nadel des Tourenzählers bei Einskommafünf steht, gibt es statt müdem Asthmaröcheln spontanen Abzug. Dass die Drehmomentkurve weitere 1500/min später kurzzeitig einknickt, spürt man am Lenker nur, wenn man vorher das Prüfstandsdiagramm auswendig gelernt hat. Ansonsten gibt es einfach nur prallen Schub. Und das genauso konsequent wie die Funktion x im Quadrat. Spätestens ab 6000 Touren drückt die Hornet den Fahrer mit Vehemenz aus dem Rahmen der Legalität. Der Bereich zwischen 8000/min und Begrenzer wird gar nur abverlangt, wenn schnell ein Opfer geschnupft werden muss. Oder wenn man mit sanftem Zug am Rohrlenker das Vorderrad vor die Brust holt, um die Profiltiefe zu kontrollieren. Die - im Vergleich zum vollen Potenzial des Spenderherzens etwas mau klingenden 109 PS - sind auf Tour also mehr als ausreichend. Operation gelungen Glücklicherweise hält das Fahrgestell dem Motor stand. Was noch nicht einmal verwunderlich wäre. Schießlich kam die Hornet einst im Mutterland Japan als winzige 250er zur Welt. Zwar wurden die Querschnitte des Stahlrahmens und die Schwingendimension für das große Triebwerk frisch berechnet, doch die konzeptionelle Herkunft der puren Straßenmaschine ist durch und durch fühlbar. |
Am deutlichsten bei der Sitzposition. Gasgeber um 1,80 Meter werden sich vor allem über den geringen Abstand zum Lenker wundern. Zeitgenossen, die nochmals wesentlich größer sind, womöglich zudem zwei Zentner Gewicht an den Start bringen, fühlen sich auf der Hornet 900 mit Sicherheit wie Bud Spencer auf einem Bobby Car. Sie werden auch weiterhin zur gewaltigen Yamaha XJR greifen. Ansonsten passt auch am schlicht aufgezogenen Chassis alles. Es ist unglaublich, wie souverän, neutral, zielgenau und leichtfüßig ein ganz normales Stahlrahmenkrad rollen kann. Sogar hastige Tripps auf der Schnellstraße bringen die Hornet nicht ins Wanken. Stabil bis Topspeed 230, fertig. Selbst die simpel anmutenden, nur in der Federvorspannung justierbaren Federelemente überzeugen. Erst bei wirklich böser Fahrt über wellige Abschnitte werden die Federhübe länger und länger, Zielgenauigkeit und Rückmeldung nehmen ab. Für sonstige Belange, auch mit Sozuis, genügt die Auslegung voll. Lassen Sie sich also nichts einreden, wenn der Typ in der Neonkombi am Treff an Ihrer Hornet den Ich-schau-mal-nach-deinem-Set-up-Test mit den Worten "Uhh, die ist aber weich" abschließt. Ich verstehe Im fließenden Kurvenschwung beginne ich, die Idee des Geräts so richtig zu verstehen. Alle Teile dieser Maschine sind so effektiv zusammengefügt, dass alleine die nackte Freude am Gasgeben, Bremsen, Schalten und Abwinkeln übrigbleibt. Wie schon lange nicht mehr, lebe ich einfach die Fortbewegung genussvoll. Trotz nahezu perfekter Harmonie läuft das Ganze sehr kurzweilig ab. Sich völlig kontrolliert und kraftvoll nur so durchs Grüne zu drücken, ist jedenfalls Unterhaltung pur. Fast verschämt muss ich zugeben, dass Bikes wie die Hornet letztlich doch die besten Motorräder sind. Sie reißen dich brutal aus deiner 300 km/h-Zugstufen-Knieschleifer-Welt und zeigen dir die wahre Bedeutung des Wortes "Motorrad". Es ist einfach auch die Ehrlichkeit des Materials, die dich auf den Boden der Tatsachen zurück holt. Was stört da im Falle der Hornet schon der nicht vorhandene Hauptständer und der leicht übertriebene Spritkonsum? Freuen Sie sich doch einfach beim Tankstopp auf die nächste Runde. Selbstbewusst Unter Garantie wird die große Hornet dort eine ganz große Rolle spielen. Schlanker als alle anderen Fours, mit kräftigem Punch und spielerischer Beweglichkeit dürfen Honda-Händler die Hornet selbstbewusst in den Showroom rollen. Und statt sich mit Details aufzuhalten, sollten sie den Kunden besser direkt eine Probefahrt offerieren. Die 219 ehrlichst zusammengesetzten Kilogramm haben eine irre Überzeugungskraft. MO-Messwerte Technische Daten Leistung: 109 PS (80 kW) bei 9000/min. Maximales Drehmoment 91 Nm bei 6500/min Motor: Viertakt-Vierzylinder-Reihenmotor, wassergekühlt. Bohrung x Hub 71 x 58 mm, Hubraum 919 ccm, vier Ventile pro Zylinder, Verdichtung 10,8. Elektronische Benzineinspritzung, x 36 mm, digitale Zündanlage. Sechsganggetriebe, Endantrieb über Dichtringkette Fahrwerk: Zentralrohrrahmen aus Vierkant-Stahlprofil. Vorn Telegabel, Vorspannung einstellbar, x 43 mm, Federweg 120 mm. Hinten Leichtmetallschwinge mit direkt angelenktem Monofederbein, Vorspannung einstellbar, Federweg 128 mm. Bereifung vorn 120/70ZR17, hinten 180/55ZR17. Vorn Doppelscheibenbremse, x 296 mm, hinten Scheibenbremse, x 240 mm. Radstand 1460 mm, Sitzhöhe 795 mm, Tankinhalt 19 Liter, Gewicht fahrfertig 218 kg Service: zwei Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung. Inspektion bei 1000 km, dann alle 6000 km Artikel aus der Zeitschrift MO |
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91, Januar 2009 |
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Text und Bilder Robert Pfeffer |