- Stiller Chrampfer und begnadeter
Tüftler
Alles schon erfunden? Alles schon
dagewesen? Nichts Neues im Westen? Wer diesen gängigen
Klischees erliegt kennt den Zürcher Jakob Wipf nicht.
In seinem Kopf gedeihen noch etliche neue Ideen. Seine
kritischen Augen entdecken jene
Verbesserungsmöglichkeiten an Strassen- und
Renntöffs die sich mit sinnvollem Aufwand verwirklichen
lassen. Er besitzt auch zweifellos die handwerklichen
Fähigkeiten seine genialen Ideen in die Realität
umzusetzen. Die Erfolge in den Saisons 1997 und 1998, der
von seinem kleinen Team unterstützten Fahrer Niggi
Schmassmann, Paul Leuthart und Jochen Schmid, sind beredtes
Zeugnis. Jakob Wipf möchte vermehrt seine Produkte den
Fahrern von Sport- oder Tourentöffs zugänglich
machen. Ganz oben auf der Liste für Strassenfahrer
stehen die sensationelle Zündung - vier, im vollem
Betrieb, umschaltbare Zündkurven - ein Schaltautomat
und ein ausziehbarer, hinterer Kotschutzlappen.
Gönnen wir uns einen weiter
gefassten Blick auf diesen bemerkenswerten Zeitgenossen und
sein Umfeld. Jakob Wipf interessiert sich seit seiner Jugend
fürs "Motorische" von Fahrzeugen aller Art. Sozusagen
der geborene Mechaniker. Die ersten Schraubversuche an
Töffs und Autos reichen in die Sechziger Jahre
zurück. Die exorbitanten
Töff-Versicherungsprämien um 1970 liessen das
Töffgeschäft vorübergehend stagnieren. Jakob
nahm eine Stelle als Betriebsleiter an und betreute in
dieser Eigenschaft den Fuhrpark seines Arbeitgebers. Der
Zweiradvirus sass aber bereits fest und so kam es wie es
musste, 1980 eröffnete er in Buchs/ZH erneut eine
Werkstatt für Töffreparaturen. Veredelte, getunte
Motorräder, die Jakob eigentlich für eigenen
Gebrauch gebaut hatte, erregten bald Interesse und Neid von
Kollegen. Aus dem Hobby wuchs bald ein solides
Geschäft. Von Buchs siedelten die Wipfs um nach
Dällikon/ZH in der Nähe von Regensdorf. In dieser
Liegenschaft konnte Jakob von nun an seine universalen
Fähigkeiten voll entfalten. Bodeneben befindet sich die
mit Werkzeugmaschinen bestückte Werkstatt, darüber
die Wohnung und geräumige
Elektronikwerkstatt.
Vor dreissig und mehr Jahren waren viele
Autos und Töffs im Handel die per Handzug eine
Zündverstellung in voller Fahrt erlaubten. Jakob
wünschte sich eine solche Verstellmöglichkeit bei
den mittlerweile elektronifizierten Zündungen der
Neuzeit. Monatelange harte Arbeit führten ihn zum Ziel.
Das seitenweise Entziffern von Heaxdezimalen Operations
Codes, das Programmieren von EPROMS (Chips mit den
gespeicherten Zündkurven) musste erst mal erlernt
werden. Unzählige Wochenende verbratete Jakob so in
seiner Elektronikwerkstatt, oft dem Aufgeben, der
Resignation nahe. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Das
Resultat ist die "Power Box", eine elektronische
Zündung massgeschneidert für jeden Kunden, jeden
Töff. Einmalig ist die Möglichkeit, während
der Fahrt per Drehschalter am Lenker, eine von vier
Zündkurven auszuwählen. Fast gleichzeitig nahm
Jakob die Konstruktion eines Schaltautomaten auf. Er
untersuchte alle Varianten der bekannten Hersteller, doch
keine dieser Konstruktionen konnte seine Erwartungen
erfüllen. Bodenwellen und zunehmendes Spiel im
Schaltgestänge können die dort verwendeten
Annäherungssensoren stören. Es musste ein eigener
Weg gesucht und gefunden werden. Dieser Weg mündete in
einen Schaltautomaten ohne Annäherungssensor, mit
einstellbarer Zündunterbrechungszeit und Schaltpunkt.
Der exakte Schaltpunkt wird mittels Leuchtdiode an der
Steuerungsbox angezeigt. Das Licht dieser Leuchtdiode ist
auch sichtbar, wenn die Box zum Beispiel unter dem Tank
montiert ist. Zudem ist die Zündunterbrechung derart
"sanft" programmiert, dass das Getriebe auch nach tausenden
von Kilometern noch in einwandfreiem Zustand ist.
Um diese Entwicklungen im
Elektronikbereich durchzuführen bedarf es einer
umfassend eingerichteten Elektronikwerkstatt. Die Wipfs
investierten viel Geld in Laborgeräte,
Frequenzumformer, PCs, Drucker, Plotter, EPROM-Brenner und
vieles mehr. Der Schreibende durfte einer eindrucksvollen
Demo der neusten Kawasaki ZX-7RR Zündbox beiwohnen.
Exakt bei 13'900 1/min stellten die vier Kerzen auf dem
Eigenbau-Prüfstand ihre Funken ein. "Dieses
Drehzahllimit können wir sorglos um 500 1/min
erhöhen", meinte Jakob trocken. Die
Zündcharakteristiken aller bekannten Sportmaschinen
sind in seinen PCs verewigt, als Grafik ausgeplottet und
fein säuberlich in Ordnern abgelegt. Das Resultat
dieser Arbeiten sollte natürlich raschmöglichst
überprüfbar sein. Dazu dient ein Dyno Jet
Leistungsprüfstand mit geregeltem,
geschwindigkeitsabhängigen Gebläse und
Staudruckmessung im Ram Air Einlasstrakt. Die
Prüfstandsdaten überträgt Jakob per Notebook
ins "häusliche Rechenzentrum". Töffs mit der
Wipf-Zündbox kann Jakob auf dem Prüfstand
umprogrammieren und gleich nachmessen. Erst wenn das
Resultat zufriedenstellend ist wird das neue EPROM
gebrannt.
Zur Seite stehen Jakob heute zwei
Mechaniker in der Werkstatt und natürlich seine Frau
Lotti, welche sich vorwiegend der Buchhaltung widmet. Sie
legt aber auch Hand am Töff an oder besorgt
Ersatzteile. Immerhin sind drei Rennmaschinen zu betreuen,
ein Töffgeschäft mit Verkauf und Reparatur zu
führen und eine Produktion von selbst entwickelten
Geräten auszuführen. Mitglieder des Teams sind
aber auch Vierbeiner wie der Werkstatt-Dackel Gina oder die
Bürokatze Joni.
Dem Kunden bietet das Team um Jakob Wipf
ein breit gefächertes Angebot von Dienstleistungen und
ausgesuchten Produkten:
* Verkauf, Service und Reparatur
von Motorrädern und Rollern.
* Motortuning von Strassen- und
Rennmaschinen mit Hilfe des eigenen Belastungs- und
Leistungsprüfstandes. Vergaserabstimmung und Einbau
der "Power Box" Zündung. Für
Zweitakt-Rennmaschinen sind Sonderanfertigungen
erhältlich. Die Exup Systeme der bekannten Yamaha
FZR Modelle wurden ebenfalls eingehend durchleuchtet, um
eine wesentlich feiner abgestufte Steuerung zu
entwickeln.
* Herstellung und Verdrahtung
Spezieller Kabelbäume.
* Entwicklung und Programmierung von
elektronischen Steuerungen (SPS) für alle Arten von
Maschinen.
* Einbau und exakte Einstellung des
selbst entwickelten Schaltautomaten.
* Fahrwerkstuning wird ebenfalls an
Strassen- und Rennmaschinen ausgeführt. Das Team
scheut sich nicht nach Kundenwunsch eigene Komponenten
herzustellen. So wurden schon erfolgreich
Gabelbrücken aus dem Vollen gefräst,
Hinterradschwingen zur Geometrieanpassung umgebaut und
mit exzentrischen Lagerböcken versehen.
Der Schreibende durfte die ganze Palette
von Jakob Wipfs Ideenreichtum am ehemaligen Kawasaki
Superbike von Scott Russell (wie diese 94er Maschine wohl
nach Dällikon kam?) bewundern. Ein leiser Stolz ist in
Jakobs Stimme zu hören, wenn er festhält, dass
alle Arbeiten, sei es Montage, spanabhebende Bearbeitung,
Schweissen, Printplattenherstellung, EPROM-Programmierung
oder Leistungsmessung, ohne externe Hilfe in der eigenen
Werkstatt ausgeführt werden.
Wipfs Schaltautomat wird von
Strassenfahrern immer häufiger verlangt, ebenso der
ausziehbare hintere Kotschutzlappen. Wer kennt das
Ärgernis nicht: Am neuen Töff wird die ungeliebte
Verlängerung abgeschraubt und weggeworfen, um beim
ersten Vorführtermin für teures Geld nachbestellt
zu werden, falls es überhaupt noch lieferbar ist. Auch
die Wipfs machten oft diese Erfahrung beim Vorführen
von Kundenmaschinen. Grund genug für den Tüftler,
um ein für allemal für Abhilfe zu sorgen. Für
Fr. 149.- erhält der Kunde eine stabile Konstruktion
aus schwarz-schrumpflackiertem Alu-Blech mit sauberer
Führung, sicherer Rastung oben und unten und dem
vorschriftsmässigen Katzenauge. Spätestens seit
der Verdreifachung der Ordnungsbussen am 1. September 1996
macht sich diese Anschaffung mehr als bezahlt.
Die Kundschaft reist inzwischen aus der
ganzen Schweiz nach Dällikon um die Dienste des
creativen Teams in Anspruch zu nehmen. Sie rekrutiert sich
aus der Renn-, der Racing for Fun- und der Strassenszene.
Dem Cross-, Enduro- und Trialbereich hat sich das Team
bisher noch nicht in dem Masse gewidmet. "Wir arbeiten
daran", meint Jakob geheimnisvoll. Die Wipfs vetreten keine
Marke, jeder Kunde ist willkommen. Verchromtem Eisen aus
Milwaukee widerfährt dieselbe Zuneigung wie den
Riceburnern von der gegenüberliegenden Seite des
Planeten.
Jakob ist kein dynamischer Manager der
sich mit akademischen Titeln schmückt, nein, er hat bei
der SIG eine hundsgewöhnliche Mechanikerlehre
absolviert. Sein ausgeprägter Durchhaltewille, die
ständige Bereitschaft Neues zu lernen (3L =
LebensLangesLernen) und ein Riecher für das Machbare
bestimmen seinen Weg. In einem halben Dutzend Jährchen
hat Jakob das AHV-Alter erreicht, seine Ideen sprudeln aber
nach wie vor wie aus einem Jungbrunnen. So vital wie ich ihn
kennen lernte, kann ich mir nicht vorstellen, dass er zum
Fünfundsechzigsten die Hände in den Schoss und den
Kopf zu Akten legt. Ferien sind für ihn beinahe ein
Fremdwort. Die Chrampferei wird nur einmal im Jahr für
eine Woche Töff-Ferien unterbrochen!
Ja eben, falls es in der
Strassensportszene wider erwarten langweilig wird, da
wäre noch der ganze Off Road Bereich!
Besuch bei Jakob Wipf am 26. August
2000
Da ist er nun tatsächlich in den Offroad Bereich
gewechselt. In der Saison 2000 betreut Jakob Wipf die
Motoren der Auto-Crosser Sepp Marty, Sepp Reichmuth,
Gottfried Hecht, Edi Raschle und Marcel Egg. Die
100'000-fränkigen, allradgetriebenen Buggies sind mit
Suzuki GSX-R oder Hayabusa Motoren ausgerüstet.
Selbstverständlich sind diese Motoren komplettiert mit
Schaltautomat und Zündbox aus der Wipf'schen
Werkstatt.
Am 17. März 2001 ist aus Motos Wipf
die TöffWerkstatt entstanden. Jakob tritt damit
ins 2. Glied zurück und wird es in Zukunft ruhiger
nehmen.
Im März 1996 für Moto Sport
Schweiz geschrieben. Bisher nicht veröffentlicht.
Überarbeitet: Februar 1999, August 2000.
10. Dezember 2008, umfassender Bericht von Markus
Schmid in Moto Sport Schweiz Nr. 25/08
Peter Fritschi und Jakob
Wipf
Der PS-Flüsterer vom Katzensee
Text Markus Schmid, Moto Sport
Schweiz, Nr. 25/08 vom 10. Dezember 2008, Seite
32
Motorelektronik
Autodidakt Jakob Wipf baute schon vor Jahren einen
Big-Bang-Reihenvierzylinder, brachte seinerzeit die
Swissauto richtig zum Laufen und tunt heute in Regensdorf am
Katzensee die ASR-Kawasakis.
Jakob Wipf schaut auf den Ausdruck des
Dynojet-Prüfstandes. Er zeigt das Diagramm einer voll
durchbeschleunigten und durchgeschaltenen Sechshunderter.
Jetzt tippt Wipf erst mit dem Zeigefinger auf die satte
PS-Kurve, die an den Schaltpunkten nur mit einer ganz kurzen
Spitze nach unten zeigt und dann praktisch senkrecht wieder
ansteigt, fixiert dann mich und sagt ein einziges Wort:
"Schneegränze!"
Ich werde das Wort noch oft hören an diesem Abend,
immer dann, wenn Jakob festhalten will: Hier ist das Maximum
erreicht, Ende der Fahnenstange. Und letztlich ist dieser
Zustand eines Motors das einzige, was den begnadeten
Tüftler interessiert, das Limit ausloten, gerade noch
unterhalb der Schadensgrenze.
Er ist ein umgänglicher, sehr höflicher Mensch.
Etwas, das gerade auf Töffrennplätzen, wo er die
Motorelektronik der ASR-Mannschaft betreut, besonders
auffällt. Nichts von Brachialrethorik, von
sich-in-die-Brust-werfen, obwohl es dafür nach dem
Meistertitel 2007 "seines" ASR-Piloten Thomas Flückiger
in der Strassenschweizermeisterschaft Superstock 1000 gute
Gründe gegeben hätte. Der immer etwas verschmitzt
dreinblickende Wipf ist ein Leiser, der erst die andern
reden lässt. Als ob er immer erst herausfinden wollte,
ob sein Vis-a-vis überhaupt genügend
Grundkenntnisse zum Thema Motorfunktionen auf der Festplatte
verfügbar hat, bevor er ihm tiefere Einblicke in sein
Wissen gewährt. Falls der Proband nicht genügt,
kann er sich ja immer noch auf eine väterlich-nett
dargebotene Altersweisheit zurückziehen. Nichts scheint
im ferner zu liegen, als jedem gleich von seinen
Schneegrenzen zu erzälhlen
Wenn er dies tut, ist es vorbei mit der Gelassenheit.
Jedenfalls innerlich. Dann taucht er ab, dann wird Wipf
verrückt, rückt weg aus der Normalwelt, kommt vom
Gasgriff via Drosselklappen und das von ihm mit Vorliebe und
einem Augenzwinkern Lambada-Sonde genannte Diagnose-Teil des
Systems aufs gesamte Motormanagement. Man landet
unweigerlich bei Vorzündung, "mitraillierenden, langen"
Zündfunken, bei den Brenngeschwindigkeiten des Gemischs
und bei Einspritzmengen. Der Zuhörer erfährt
nebenbei, dass bei fast allen Drosselklappensensoren der
Spannungsunterschied im System zwischen voll offener und
geschlossener Klappe 3.0 Volt beträgt, und dass deshalb
ihr Stellmotor ebenso wie der Hub der Einspritzventile
über das Modulieren der Spannung präzise gesteuert
werden können. Ride-by-wire eben.
Und dann stösst man plötzlich auf Wipfs Geheimnis,
auf die Karte, die zum verborgenen Schatz führt, der da
heisst: Ideale Füllung und Verbrennung. Die
Gemeinsprache heisst Hexadezimaler Operations Code. Mit ihr
programmiert Wipf nächtelang die theoretisch
möglichen 1600 Parameter, mit denen der
Verbrennungsprozess im modernen Viertaktmotor gesteuert wird
und brennt sie dann auf die EPROMs, die Speicher, die den
Bordrechner der Motorräder mit den ganzen Kennfeldern
für Zündung, Einspritzung und
Drosselklappensteuerung füttern.
An die Schneegrenze - immer!
"Beim Programmieren musst du jede Ablenkung ausschliessen,
sonst gibs Katastrophen. Bei diesem Hexadezimalsystem
riskierst du, dass du beim kleinsten Fehler gleich um den
Faktor zehn daneben liegst. Das verträgt kein Motor,
dann knallts sofort! Deshalb stehe ich oft morgens um 4 Uhr
auf. Da stört dich niemand", sagt Wipf. Deshalb hat er
im Büro - oder besser Arbeitszimmer - in der Wohnung,
die er mit Jeanne teilt, ein Netzwerk von 10 PCs
eingerichtet, ergänzt durch 2 weitere in der Garage.
Vom Bett an den PC, wenn ihn die Ideen nicht schlafen
lassen. So ist das an der Schneegrenze.
Danach hört Wipf im Fahrerlager seine "Buebe" an, seine
Rennfahrer im ASR-Team, wenn sie irgendwo im Kurvenverlauf
nicht haargenau die Leistungsentfaltung erhalten, die sie
erwarten. Nach einer Stunde oder zwei hinter dem Laptop
hängt er diesen an die Zündbox, lädt ein
modifiziertes Programm drauf und in aller Regel sind dann
die Jungs begeistert. "Ich sage ihnen aber nie, was ich
verändert habe. Ich gebe nur generelle Fahranweisungen,
wenn das nötig ist." Wenn er etwa die Schaltzeit seines
selbst konstruierten Quick Shifters von den üblichen 65
Millisekunden auf deren 57 verkürzt hat, verlangt er:
"Gib einen deutlichen Schaltbefehl", damit es nicht "chroset
im Gebälk". Denn Jakob weiss: Er ist wieder mal an der
Schneegrenze angelangt, alles muss stimmen.
Wie extrem tief sich Wipf in ein Projekt hinein denkt,
veranschaulicht das Beispiel der diesjährigen SM-Rennen
der Superstock 600 in Dijon. Er überlegte sich, dass
die Kawasakis wegen ihres weit zwischen den heissen
Aluminiumgussteilen des Lenkkopf hindurch führenden
Ram-Air-Kanals ihre Ansaugluft stärker erwärmen
würden, und deshalb das Gemisch magerer, die
Zylinderfüllung im Lauf des Rennens schlechter werden
würde. Also schrieb er vor Ort ein Programm für
ein fetteres Gemisch und wies seine Piloten an, einfach in
den ersten sechs Runden unbedingt an der Spitze dran zu
bleiben. Später werde die nötige Leistung dann
schon da sein.
So war es: Jeweils ab Runde Sechs fuhr Dominik Plüss
scheinbar mit Leichtigkeit an den nun heiss und deshalb zu
mager laufenden Maschinen der Konkurrenten vorbei und
siegte.
Ein alter (Schnee-)Hase
Wer jetzt meint, Jakob Wipf habe in der Strassen-SM seinen
Schaffenszenith erreicht, hat weit gefehlt. Wipf optimierte
Elektronik und Fahrwerk des offiziellen Superbikes von
Jochen Schmid im offiziellen Kawasaki Team 1997 und 98 der
Pro-Superbike, er konstruierte und baute aber auch schon
Jahre vorher für die Swissauto-Truppe und deren
GP-500er einen Mini-Alternator - nur 160 mm breit und 560
Gramm leicht - zur Speisung der elektronischen
Auslasssteuerung, die vorher nicht wunschgemäss
gelaufen war, weil der "Pfuus" fehlte. Sie drückte
nachher 200 PS ab! Und Wipf brannte auch spezielle EPROMs
für das feuchtheisse Macao, mit denen Res Hofmann dort
siegte.
Transistoren im Kuhstall
Aber wie wurde der Mann, der in Flurlingen aufwuchs und bei
der SIG in Schaffhausen eine gewöhnliche
Mechaniker-Stifti gemacht hatte, zum Motorelektronik-Guru,
dem sie in der deutschen Rennszene den respektvollen
Übernamen Mister 10'000 Volt gaben?
Wipf war bei der SIG zwar nur einer unter mehr als 200
gleichaltrigen Lehrlingen, lernte aber schnell, baute noch
in der Stifti mutterseelenalleine eine erste
Verpackungsstrasse für die berühmte Toblerone mit
nahezu 1000 elektromechanischen Schützen zusammen. Beim
Start nach drei Tagen Aufbau gabs erst einmal zerquetschte
Tobleronen. Nach zwei weiteren Tagen waren die insgesamt
drei Fehler korrigiert, die Anlage lief. Jakob hatte
gelernt: Fehler dürfen nicht passieren! Und er sog
alles auf, was er konnte, lernte schmieden, härten und
schweissen, auch Aluminium in Argon-Atmospäre,
verdiente sich damit das erste Sackgeld nebenbei. "Damit
ging ich ins Kino, John Wayne Filme schauen für 55
Rappen." An der Abschlussprüfung erreichte er nur
deshalb nicht die Bestnote von 1.0 sondern "nur" 1.2 weil er
lediglich einen der sieben amtierenden Bundesräte
kannte: "Die Glön händ mi scho denn nid
interessiert ...".
Bauer Lehmann, Stromfreak
Dann traf er Bauer Lehmann. Der war aus unerklärlichen
Gründen dem Faszinosum des elektrischen Stroms
verfallen: Unscheinbare Form, aber geballte Kraft, das wars
was ihn nicht losliess. Er hatte sich im Kuhstall ein
kleines Elektronikwerkstättli eingebaut. Er und Wipf
bauten mit den ersten Transistoren alles, vom Zeitschalter
bis zur Abhöranlage. Jeden Samstag und Sonntag. Immer
an ihrer persönlichen Schneegrenze. Dann kam mit den
ersten Transistoren die Elektronik.
Wipf heute dazu: "Der hat sich das selbst beigebracht. Ich
habe dann immer weitergemacht, denn wenn du in der
Elektronik zwei Jahre pausierst, hast du den Faden verloren.
Dann kamen die integrierten Schaltkreise, die ICs. Ich
bastelte neben meinem Beruf immer weiter. Dann
eröffnete ich in Dällikon 1981 die erste eigene
Motorradwerkstatt, hatte irgendwann fünf Mitarbeiter,
und entwickelte meine Zündbox, die Power Box und die
Schalthalbautomatik."
Die Kunden, teils Rennfahrer, wollten nun, dass Wipf an der
Strecke dabei wäre, für den Fall des Falles. Und
Wipf begann, in gesetzten Alter von Mitte Vierzig,
Hobbyrennen zu fahren. Das brachte ihn dann endgültig
in den Kontakt mit grösseren Teams. Den Rest kennen wir
bereits, wenigstens in grossen Zügen.
Ausser der Tatsache, dass Jakob Wipf sein Geschäft in
Dällikon schon vor Jahren zwecks Pension geschlossen
hat (heute Töffwerkstatt)und jetzt doch wieder in der
Industriezone von Regensdorf bei einem befreundeten
Automechaniker mit eigenem Betrieb, Ueli Fäh, wieder
mit den Töffs angefangen hat.
Er kanns halt nicht lassen, der
Pferdestärkenflüsterer vom Katzensee. Ihm ists am
wohlsten zwischen seinen Computern, Bildschirmen, Druckern,
Oszillographen, EPROM-Brennern und Schubladenstöcken
voll mit ICs, Platinen und sonstigem Elektronik-Material. Er
muss weiterhin immer wieder an die Schneegrenze
gehen.
Steckbrief Jakob Wipf
Geburtsdatum
31.12.1936
Wohnort
Watt bei Regensdorf
Zivilstand
verheiratet mit Jeanne
Lieblingsessen
am liebsten zu Hause
Hobbys
Elektronik, Tauchen, Fotografieren, Töfffahren
Beruf
Elektromechaniker; Zusatzausbildungen
als Schweisser, Tauchlehrer
Töffkarriere
Fahrprüfung (1955 mit 18 Jahren) auf eigener
"Doppelkolben"- Puch 250, Puch 125 Sport, Triumph 500 Speed
Twin, Norton International 500, Honda CB 750 Four (1969),
Kawasaki GPz 1100 EFI, Yamaha FJ 1100 und FJ 1200, Yamaha XJ
650 Turbo, Kawasaki Z750Turbo, Suzuki GSX1100 F
Private
Motorräder heute Yamaha Fazer600
und Honda VF 750 C (Softchopper), beide mit Schaltautomat
für Touren; dann eine Yamaha FZR 750 R (OW01) und eine
Bimota YB6 als Reminiszenz an den Rennsport.
Traumtöff zum Reisen eine Honda Pan European, sonst MV
Agusta F4
Bewundert im
Motorradsport Valentino Rossi,
MickDoohan, Scott Russell, aber auch Michael Schumacher
Geschäft
Wipf Motos, Pumpwerkstrasse 25 (in Autowerkstätte
Fäh), 8105 Regensdorf; wmotos@hispeed.ch
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