Brunnadern/SG 11. August 2012 |
||
![]() Holländische Ala Verde in Büriswilen am Engländer-Treffen |
||
![]() Ein extrem heisser Tag, das Gedränge beim Bahnhof hält sich im Rahmen! |
||
![]() Sprint H |
||
![]() Emil Landolt und Autor Jaap de Jong |
||
![]() Willi Glönkler (r), auch dieses Jahr kein Sound Check der Ala d'Oro |
||
![]() Zweitakt-Rennmaschine |
||
![]() Wieder mal was Neues |
||
Ernst Leverkus (Klacks) war 1965 mit der Ala Verde auf dem Nürburgring. Eine Zeitreise in die 60er Jahre, die Töffs und die Sprache von damals. Aermacchi Ala Verde 250 cm3, 1965 - die hatte einen Gang zuviel Es gab schon immer einige Motorrad-Hersteller, die besonders Motoren mit einem oder mehreren liegenden Zylindern pflegten, Zylinder-Längsachse horizontal in Fahrtrichtung. Im Augenblick fallen mir da Namen wie Honda S 90, Kreidler, Motobi, Moto Guzzi, Parilla Slughi, Rumi aus dem Kreis der Serienfabrikate ein. Vielleicht auch die 200 cm3-Wanderer von 1922 oder der Horex Rebell-Roller aus den 50er Jahren. Aber es sind mehr. Unter Rennmaschinen - ja, da ist die Zahl noch weitaus größer. Tiefe Schwerpunktlage, sehr gute Kühlungsbedingungen, günstige Lage für einfache Montagemöglichkeiten und vieles mehr hat die Konstrukteure immer gereizt. Siehe auch das Wunsch-Motorrad Modell X von J. F. Drkosch, das ich noch bei der Motobi-Geschichte erwähnen muß. Immer aber lag in einer solchen Anordnung eine besondere sportliche Linie verborgen. In den 60er Jahren suchten wir so etwas verstärkt, und deswegen lag das Haus Aermacchi-Harley Davidson in Varese/Italien mit dem Motorradtyp Ala Verde genau richtig. Die Ala Verde sollte ein echtes italienisches Sportmotorrad sein, was auf den ersten Blick schon an der äußeren Linie erkennbar war. Der Einzylinder-Viertakter mit Stoßstangen Ventilsteuerung leistete etwa 19 PS an der Kurbelwelle und 16 PS am Getriebeausgang bei 6500 U/min. Es war ein Langhuber mit 66 mm Zylinderbohrung und 72 mm Kolbenhub (247 CM3), fast So ein wenig englische Leistungs-Schule mit dem besten Drehmoment von 1,95 mkg bei 4200 U/min. Auffallend war der flache Verlauf der Kurve und das breite Leistungsband über 1,7 mkg zwischen 3000 und 6750 U/min. Für uns war es etwas verwirrend, wie viele unterschiedliche Leistungsangaben es damals für die Ala Verde von seiten des Werkes, von Händlern und von Fahrern gab. Da sprach man von 18, von 22 und sogar von 24 PS. Natürlich reizte uns dieses Gerede zur Feststellung, was denn nun wirklich an Kraft zur Ausnutzung zur Verfügung stand. Der Rollenprüfstand der Akademischen Motorsportgruppe an der Technischen Hochschule Stuttgart gab uns die Antwort: knapp 16 PS mit Schalldämpfung am Hinterrad. Später - nach 10'000 gefahrenen Kilometern - kamen bei Messungen an der Technischen Hochschule Karlsruhe am Getriebeausgang des Motors 16 PS und eine offizielle Leistungskurve zustande. Man konnte annehmen, daß das 19 PS an der Kurbelwelle waren. Dazu noch eine Erklärung: in Italien machte man die Leistungsmessungen mit "Cuna"-PS an der Kurbelwelle (ohne Anssauggeräusch- und Schalldämpfung und ohne Nebenaggregate). In Amerika gab es die "SAE"-PS. Bei uns waren "DIN"-PS an der Kurbelwelle offiziell gültig (gemessen mit Ansang- und Geräuschdämpfung sowie mit allen für den Betrieb des Motors notwendigen Nebenaggregaten). Obwohl uns die äußere Linie der Ala Verde begeisterte - für brave "Krafträder" hatten wir Buben sowieso nichts übrig - waren wir von diesen für eine 250er Sportmaschine wenigen PS zuerst enttäuscht. Die sahen überhaupt nicht nach dem Begriff Hochleistungs-Sportmotor aus. Es zeigte sich anders. Durch den flachen Leistungsverlauf, das geringe Gewicht von nur 119 kg (die NSU-Max hatte zuletzt 152 kg!) mit halbleerem Tank aber vollständiger Ölfüllung und durch den ge-ringen Luftwiderstand des relativ niedrigen und schmalen Fahrzeugs kamen ganz reelle Fahrleistungen zusammen. Außerdem konnte man den Motor glatt bis 7500 U/min drehen lassen, wobei er trotz einer dabei sehr kritisch hohen Kolbengeschwindigkeit von 18 m/s ein überraschendes Durchhaltevermögen zeigte. Das alles ergab auf der Nürburgring-Nordschleife Zeiten zwi-schen 13:20 und 12:43 = 102,64 und 107,6 km/h Durchschnitt pro Runde. Die 12 Minuten und 43 Sekunden wurden von Walter Sommer gefahren, dem Sieger des Eifelrennens 1965 auf dem Nürburgring. Wir bekamen damit einmal Vergleichszeiten für unsere Ringtests von einem versierten Streckenkenner und guten Straßenrennfahrer. Seine Runde (stehend am Start und die Ziellinie durch Bremsen auf dem Fahrtschreiber markiert) war beachtlich für 16 PS und ca. 7,4 kg Leistungsgewicht der Maschine, deren Hubraumleistung 64 PS/Liter betrug. Der robuste Kurbeltrieb hatte einen Hubzapfen von 32 mm 0. Die 25 mm 0 der Kurbelwellenenden und die sehr breite Lagerung, das breite Nadellager des Pleuelfußes und der Kolbenbolzen-0 von 18 mm hielten die wahnsinnige Belastung klaglos aus. Der Kolben hatte ein Gewicht von ca. 305 g, eine Stoßstange wog 28 g. Zylinderverschleiß der Testmaschine nach 10 000 km genau 0.01 mm. Erinnern wir uns, welche Robustheit die Aermacchi-Rennmaschinen immer gezeigt haben, dann wundert es mich nun nicht mehr, daß unsere Testmaschine so zäh war. Von Hause aus wurde sie mit 18 Zähnen am Getrieberitze) und mit 38 Zähnen auf dem Hinterradzahnkranz geliefert. Das war für uns zu knapp, damit kam man nur bergab einmal in den fünften Gang. Vielleicht sollte das so sein, um eine Art Overdrive-Wirkung zu erzielen und Oberdrehen möglichst zu verhindern. Aber es paßte für den Ring sehr schlecht. Nur eine ganz dünne und leichte Nudel hätte damit etwas anfangen können. Aber es gab 24 verschiedene Obersetzungsmöglichkeiten. Wir laborierten so lange herum, bis Walter Sommer in der Ebene im fünften Gang ohne Mühen und ohne Oberdrehen auf 120 km/h kommen konnte. Das Fünfgang-Getriebe? Wenn man mich fragt: den fünften Gang hätten die Aermacchi-Leute sich bei der flachen Leistungskurve und bei der Drehmomentlage sparen können! Das war doch nur ein "Renn"-Verkaufsgag, mit dem wir da wohl leben mußten. Für einen größeren Mann wurde die Sitzposition auf die Dauer quälend, denn die Fußrasten ließen sich nicht verstellen. So mußte man durch Rutschen auf der spartanisch harten und schmalen Bank so lange hin und her fühlen, bis man eine einigermaßen akzeptable Position gefunden hatte. Der Aufbau der Maschine war sehr einfach, der Rahmen bestand nur aus einem sehr starken Mittelrohr, an dem praktisch alles aufgehängt war. Aber das Fahrwerk war sehr empfindlich auf die kleinsten Unregelmäßigkeiten bei Reifen, Rädern, Telegabel, Schwingenlagerung oder Federbeinen. Dann gab es in welligen Kurven bei hohem Tempo in Schräglage plötzlich Schaukelschwingungen. Den Vergaser mit dem offenen Lufttrichter durfte man nicht zu viel fluten, denn so sprang der Motor nicht an. Auf der anderen Seite aber durfte man dem Motor nicht zu mageres Gemisch beim Antreten anbieten, weil er sonst todsicher zurückschlug. Der Kolben kam dann nicht über den oberen Totpunkt hinaus, weil vom Werk aus eine enorme Frühzündung ein-gestellt wurde (48° bei geöffneten Fliehgewichten der automatischen Zündverstellung) und dafür der Explosionsdruck beim Zünden infolge des zu mageren Gemisches nicht groß genug war. Patsch - ! Es gab einen Schlag vom Kickstarter ins Fußgelenk, daß man die Engel im Himmel singen hörte. Deswegen stellten wir den Motor auf 40° Frühzündung ein, wobei diese Erscheinung fast aufhörte und nichts an Leistung verloren ging. Die schwer gehende Kupplung verschaffte uns dicke Handgelenke, was besonders bei längeren Fahrten zu störenden Pausen zwang. Der Kupplungshebel war sehr ungünstig übersetzt, die Zentralfeder sehr hart, und es waren zehn Lamellen zu bewegen. Trotz unserer als richtig herausgefundenen Gesamtübersetzung war der erste Gang infolge der so enorm knappen Getriebespannweite von 2,2 (für Straßenrennen) noch viel zu lang. Das bedeutete beim Anfahren ein längeres Schleifenlassen der schwergängigen Kupplung . Uff - ! Aber einmal in Fahrt, war es eine fast immer von anderen unterschätzte Rakete. Der einfache Motorenaufbau war natürlich für Selbsthilfe fantastisch. Und Selbsthilfe war 1966 noch immer bei solchen "Exoten" vonnöten, für die es nicht in jedem Kuhnest eine Werkstatt gab. Das paßte in die Zeit und zu uns "Pionieren". Hier einige Vergleichsmessungen auf dem
Nürburgring mit anderen 250ern: Als Telegabel wurde eine Ceriani gefahren, und der Vergaser hatte einen Durchlaß von 24 mm. Die Räder hatten 1965 17 Zoll, womit man bei der Reifenauswahl ganz auf die italie-nischen Pirelli- oder Ceat-Reifen angewiesen war. 1966 gab es 18 Zöller. Das Motorrad wurde für DM 2500 verkauft und war damit nicht aus dem üblichen Preisniveau heraus. Vergleicht man spaßes halber so eine Sportmaschine der damaligen Mittelklasse in der Mitte der 60er Jahre mit der Mittelklasse der 80er Jahre, dann wird man für die letztere feststellen, daß diese viel mehr PS haben (z. B. 400 cm3- 27 PS, 38 PS oder mehr). Ob sie aber um den Nürburgring genau im gleichen Verhältnis auch schneller sein können, ob sie so fantastisch einfach im Aufbau, in der Wartung und in der Möglichkeit sind, ohne Spezialwerkstatt und Elektronik auskommen zu können? Ob diese - 20 Jahre später existierenden - Maschinen wohl wirklich technischen Fortschritt zeigen? Ob sie wohl auch noch so viel intensive Dramatik an sich haben, wie das 1965 so eine Ala Verde für uns hatte? Oft, sehr oft, überlege ich sowas, wenn ich einmal auf einer Aermacchi von damals und gleich darauf auf einer XS 400 fahren konnte, wie neulich. Mensch, was war das doch für ein Renn-Hammer, die Ala Verde mit Langhub-Viertakt-Single, mit offenem Vergaser, offener Kette - kann das jemand begreifen ?! Im Spätherbst 1965 kam ein Motorradfahrer angehumpelt, als wir an den Boxen unseren Fahrtschreiber montierten. Auffällig war das geschwollene Handgelenk des linken Armes. Er setzte auch so verdächtig vorsichtig beim Laufen den rechten Fuß auf und bewegte ihn im leichten Rennstiefel so aus der Sohle heraus - Leipzig - schluff - Einundleipzig - schluff - Leipzig - schluff - Einundleipzig - und so weiter. Wir schauten uns alle an und grinsten schadenfroh. Fritz sagte: "Hallo! Haben Dir die 48° Vorzündung Deiner Ala Verde Grüße bestellt?" Er machte ganz große Augen. "Jaa - ich hab' so'n Biest - ! Woher weißt Du - ? Aber jetzt schieb' ich sie nur noch an. Mußt aber aufpassen, daß dabei das Hinterrad nicht plötzlich beim Loslassen der Kupplung blockiert. Dann fliegste über weg - !" Und er lachte. Es war natürlich bloßes Raten von Fritz, und doch hatte er eine Ahnung gehabt. Der Kick-starter der Ala Verde knallte beim Zurückschlagen immer genau ganz kurz und hart im ersten Drittel der Abwärtsbewegung gegen den Fuß, und das traf durch den Rist exakt ins Gelenk. Danach konnte man nur im Rhythmus Leipzig - schluff - Einundleipzig - schluff - Leipzig und so weiter laufen. Nach 14 Tagen wurde das erst besser. Bei den anderen Big Singles der 50er und 60er Jahre kamen die Schläge meist erst aus dem unteren Drittel der Startbewegung. Das ging oft durch Abrutschen des Fußes ans Schienbein oder bis ins Kniegelenk, wonach man den Rhythmus einhalten mußte Schleich - den Scheich, Schleich - den Scheich, und so weiter. Die Fußspitze stand beim Laufen leicht nach außen. Man nehme mir diese Abschweifung bitte nicht übel, lieber Leser. Aber ich konnte sie mir ein-fach bei den Erinnerungen an die Ala Verde nicht verkneifen, über deren Eigenheiten wir so unsere Witze machten. Heutigen Fahrern wird es wohl grausen, wenn sie das hören, und sie werden den elektrischen Anlasser umso lieber haben. Wir lachten darüber, stellten auf 40° Vorzündung ein und vermißten keinen Elektrostarter. Je einfacher ein Motorrad technisch zum Selber-Schrauben konzipiert war, um so besser. E-Starter empfanden wir nur gut, wenn sie keine Zusatzfehlerquellen waren und wenn es außerdem noch den guten alten Kickstarter dazu gab. So ändern sich die Zeiten. Die Motorräder der 50er, 60er und 70er Jahre von Ernst Leverkus, Motorbuch Verlag, 978-3-613-02630-8 |
||
![]() Am Rande des Treffens sieht man interessante Töffs wie diese Gilera Saturno 500 mit Max Willi im Sattel. |
||
![]() Moto Guzzi V7 Sport, dahinter eine V50 |
||
![]() Laverda Jota 1000 |
||
![]() Benelli 750 Sei |
||
![]() Benelli 900 Tre |
||
![]() Perfekt restaurierte HRD Vincent |
||
![]() Condor 500 |
||
1994 2007 2008 2009 2010 2011 |
||
CH-8194 Hüntwangen |