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Eine Ferienreise mit dem Mofa anno 1964

am Fernpass

am Fernpass/A

Plattfuss

Plattfuss hinten und vorne

1964 leistete ich mir mein erstes Mofa. Ein ferrarirotes Allegro mit gebläsegekühltem Sachs Zweitaktmotor und 2-Ganggetriebe. Der Töffliboom war noch nicht ausgebrochen; man betrieb die Mofas mit der Velonummer und ohne Helmpflicht. Kostenpunkt knapp 900 Franken, etwa der Monatslohn eines Handwerkers.

Der ersten Ausfahrt von Pozzis Töffladen an der Schreinerstrasse bis zum Bullingerplatz und zurück war kein Erfolg beschieden. Auf dem Rückweg ab das Motörli unvermittelt den Geist auf. Unbeeindruckt entfernte Peppi Pozzi kurzerhand den Düsenstock vom gut zugänglichen Vergaser und verpasste der Hauptdüse ein paar Druckluftstösse. Erste Lektion gelernt.

In den Sommerferien unternahm ich meine erste Reise ins Ausland mit dem eigenen Transportmittel. Frühere Reisen nach Südfrankreich oder ums Mittelmeer erfolgten per Autostopp. Mit dem Allegro wollte ich das damals noch etwas geheimnisvolle, kommunistische Jugoslawien besuchen. Der Trip dauerte knapp fünf Wochen über folgende Route: Zürich - Innsbruck - Wien - Graz - Zagreb - Belgrad - Zagreb - Ljubljana - Triest - Venedig - Turin - Monte Carlo - Arles - Nîmes.

Wie ich von Südfrankreich nach Hause kam weiss ich nicht mehr. Ich erinnere mich aber an zwei Plattfüsse, gleichzeitig am Hinter- und Vorderrad. Zudem Iockerte sich die Schraube des Tretkettenspanners dessen Rolle dann verloren ging. Damit musste ich das Mofa jeweils anschieben statt antreten.

In der Wiener Jugendherberge traf ich aud einen andern Schweizer, der per Velosolex unterwegs war. Seine angeblichen Frauenbekanntschaften, die er in jedem Ort an der Strecke machte, liessen mich kalt. Aber, dass sich sein Solex in der Ebene schneller als mein Allegro erwies, wurmte mich schon.

Nette, gastfreundliche Leute begegneten mir in Jugoslawien, die mich spontan zum Kaffee einluden und die üblichen Fragen stellten. Ansonsten eher sozialistisch trostlos, mit leeren Gestellen in den Läden und fast leeren Restaurants.

Zwischen Zagreb und Belgrad kam ich ins Gespräch mit einem Neuseeländer, der mit einer 350er Matchless Europa erkundete. Da es schon Abend war, campierten wir in einem Wald. Bestens ausgerüstet mit Gaskocher, Wasser und Vorräten zauberte er in wenigen Minuten ein währschaftes Nachtessen herbei.

In Ljubljana machte ich die Bekanntschaft eines Comic Zeichners, der mich spontan einlud bei ihm zu übernachten. Zum Nachtessen brieten wir Maiskolben, die wir uns vorher in einem Maisfeld besorgt hatten. Mein Wirt bemerkte trocken: "Der Mais gehört ja uns allen."

Eine Begegnung der andern Art ereignete sich in einem Stau an der Côte d'Azur. Da gesellte sich eine Aermacchi Ala Verde zu mir. Und die gefiel mir wesentlich besser als die Gileras bei Pozzi. Noch 5ahnte ich nicht, dass ich einige Jahre später zwei dieser 250er fahren würde. Die erste der beiden diente mir im Herbst 1969 für einen Trip nach England, um dort Motorradfabriken zu besichtigen. Doch das ist eine andere Geschichte.

Das Allegro bin ich noch einige Jahre gefahren. Um 1968 schenkte ich es einem Lehrling im Betrieb.

23. April 2020, Corona Lockdown

Postkarte von Belgrad

Eine Postkarte von Belgrad
19. August 1964

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Text und Bilder Robert Pfeffer
CH-8194 Hüntwangen
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